Arabien entdeckt das Land des ewigen Frühlings
Im Oktober 1977 berichtet ein Journalist der saudiarabischen Zeitung Al-Gezirah ausführlich von den Erlebnissen während seiner vom Politischen Departement organisierten Reise in die Schweiz. Der Artikel bezeichnet die Schweiz in seinem Titel als ein Land des ewigen Frühlings und stellt eine eigentliche Lobeshymne auf die helvetischen Landschaften dar: Die Schweiz ist das grüne Herz des grünen Europas. [In ihrem Anblick] werden Sie zum Poet und verfassen die schönsten Gedichte voller Zärtlichkeit und jugendlicher Gefühle. Sie werden zum Liebhaber aller schönen Dinge in dieser Welt. Beim Betrachten der prächtigen Seen und der grünen Berge sind Ihre Sinne voller Optimismus.
Der Autor dieser Zeilen weilt während einer Woche in der Schweiz, zusammen mit anderen Medienschaffenden aus der arabischen Halbinsel. Das Besuchsprogramm legt den Schwerpunkt auf touristische Sehenswürdigkeiten und die Industrieproduktion. Die meisten Programmpunkte stehen im Einklang mit den Prioritäten der Schweizer Informationspolitik in den arabischen Ländern, die zu diesem Zeitpunkt weitgehend von wirtschaftlichen und touristischen Interessen geprägt ist. Die wenigen über die Schweiz auf Arabisch veröffentlichten Bücher, zum Beispiel die von der Schweizer Verkehrszentrale verbreitete Broschüre All about Switzerland, vermitteln ein touristisches Bild des Landes. Ähnliche Prioritäten bestimmen das arabische Programm des Kurzwellendienstes der SRG. Während der zweiten Hälfte der sechziger Jahre erzählt eine Sendereihe die Geschichte von Heidi und bestätigt das Klischee einer idyllischen und ländlichen Schweiz.
In den Tätigkeiten von Pro Helvetia spielen die arabischen Länder nur eine unbedeutende Rolle. Bis in die 1970er Jahre organisiert die Stiftung in den arabischen Ländern nur punktuell Veranstaltungen im Bereich der angewandten Kunst.
Die Eindrücke der 1977 eingeladenen arabischen Journalisten bestätigen die bereits bestehenden und von der Tourismuswerbung immer wieder erneuerten Stereotype. In dem von der Zeitung Al-Gezirah veröffentlichten Artikel erreicht die typische Verklärung der helvetischen Zustände eine schon fast dichterische Qualität: Jede Stadt befindet sich am Ufer eines Sees von bewundernswerter Schönheit und ist von einer Reihe der grossartigsten Berge umgeben, wo das Wasser der Bäche durch die Täler spaziert wie verliebte junge Mädchen, die der Kälte der Einsamkeit entfliehen, um sich in die Arme der Zärtlichkeit und der Liebe zu werfen.
Die Reiseberichte der arabischen Journalisten machen den Unterschied deutlich, der in der Wahrnehmung der Schweiz zwischen den westlichen Ländern und denjenigen eines anderen Kulturraumes besteht. Während politisch umstrittene Fragen wie das Bankgeheimnis und die Neutralität in den 1960er und 1970er Jahren einen wesentlichen Teil der Informationspolitik gegenüber den Industrienationen ausmachen, bleibt das Bild einer zeitlosen und idyllischen Schweiz in den geografisch weiter entfernten Gebieten weitgehend intakt. Die politische Aktualität mit ihren Problemen kommt in dem für die nicht westlichen Länder bestimmten Informationsmaterial kaum je zur Sprache. (tk)
Archivbestände
BAR E9510.6 1991/51, Bd. 207