Ramuz und Gotthelf

par Thomas Kadelbach

Thomas Kadelbach, né en 1979. Après des études d'histoire et littérature française à Angers, Fribourg et Madrid, il collabore au projet de recherche FNS Les relations culturelles internationales de la Suisse, 1945-1990. Thèse de doctorat sur Pro Helvetia et l'image de la Suisse à l'étranger. Actuellement collaborateur scientifique à l'Université de Neuchâtel.
, Thomas Kadelbach, born in 1979. Studied history and French literature in Angers, Fribourg and Madrid. Research assistant in the SNSF research project Switzerland's International Cultural Relations, 1945-1990. PhD thesis on Pro Helvetia and the image of Switzerland abroad. Currently scientific collaborator at the University of Neuchâtel.

Literatur
Buch
Geistige Landesverteidigung

Bis in die 1960er Jahre berücksichtigt Pro Helvetia in ihren internationalen Tätigkeiten die zeitgenössische Literatur praktisch nicht. Ähnlich wie in der Malerei und anderen Kunstsparten konzentriert sich die Stiftung auf einige wenige „klassische“ Vertreter des Schweizer Geisteslebens, deren Werke auf einfache Weise mit dem gültigen nationalen Identitätsdiskurs in Einklang gebracht werden können. Im literarischen Bereich gehören zu diesen repräsentativen Künstlern Jeremias Gotthelf und Charles Ferdinand Ramuz.

Die wichtige Rolle, die Gotthelf in der Anfangsphase der kulturellen Aussenpolitik spielt, entspricht seiner Bedeutung in dem von der Geistigen Landesverteidigung neu erfundenen literarischen Kanon der Schweiz. In seiner im Dezember 1938 an das Parlament überwiesenen Botschaft zur Schweizer Kulturpolitik verweist der Bundesrat auf den Schriftsteller aus dem Emmental, um den „Schweizer Geist“ zu definieren: Ein Jeremias Gotthelf ist so durch und durch schweizerisch, dass dieser Name allein schon genügen würde, um unsere Auffassung von der ausgesprochenen Eigenart des schweizerischen Geistes zu stützen.

Die offizielle Anerkennung Gotthelfs, der zu Lebzeiten zu den unerbittlichsten Gegnern des Bundesstaates von 1848 gehörte, bestätigt die konservative und antimoderne Ausrichtung der Kulturpolitik vor dem Zweiten Weltkrieg. Bereits in der Zwischenkriegszeit verstärken die sozialen und politischen Krisen konservative Strömungen, die den Internationalismus der Grossstädte ablehnen und das Ideal einer Rückkehr zur vorindustriellen, ländlichen Schweiz pflegen. In diesem Zusammenhang werden Gotthelfs Romane immer mehr zum Inbegriff einer „gesunden“ nationalen Literatur. In ähnlicher Weise wird auch das Werk von Ramuz in eine Warnung vor den Folgen der Industrialisierung und der Modernisierung uminterpretiert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg finden sich die gleichen Konzepte in der im Entstehen begriffenen Kulturaussenpolitik wieder. Die ersten Übersetzungsprojekte von Pro Helvetia betreffen die Romane Gotthelfs, die ausserhalb der Schweiz noch kaum bekannt sind. Allerdings scheitern diese Vorhaben am besonderen, von dialektalen Ausdrücken geprägten Stil des Autors. Anfangs der 1950er Jahre sind die Werke Gotthelfs das Thema zahlreicher Artikel, die der Pressedienst von Pro Helvetia im Ausland verbreitet. 1958 finanziert die Kulturstiftung eine englische Übersetzung der Erzählung Die schwarze Spinne, 1960 eine japanische Fassung des gleichen Texts.

In der Nachkriegszeit wird auch Ramuz zu einem beliebten kulturellen Exportartikel. Zahlreiche Vorträge im Ausland und Artikel gelten dem Werk des Schriftstellers, und in den 1950er Jahren subventioniert die Kulturstiftung einen Ramuz-Lehrstuhl am Centre universitaire de Nice. Die Abkehr vom Gotthelf-Ideal erfolgt in der Politik von Pro Helvetia erst Mitte der 1960er Jahren und ist insbesondere der von Jean-Rudolf von Salis eingeleiteten Modernisierung zu verdanken. (tk)

Archivbestände
Pro Helvetia, Protokolle Gruppe I

Literaturhinweise
Jost, Hans Ulrich: Politique culturelle de la Confédération et valeurs nationales, in: Crettaz, Bernard; Jost, Hans Ulrich; Pithon, Rémy: Peuples inanimés, avez-vous donc une âme ? Histoire et société contemporaines, Lausanne 1987, S. 19-38
Jost, Hans Ulrich: De l’anticommunisme chez Gotthelf à l’antisocialisme helvétique, in: Caillat, Michel; Cerutti, Mauro; Fayet, Jean-François; Roulin, Stéphanie (Hrsg.): Histoire(s) de l’anticommunisme en Suisse, Zürich, Chronos 2009, S. 29-45

medias

Die Geistige Landesverteidigung

Am 9. Dezember 1938 veröffentlicht der Bundesrat seine Botschaft zur Schweizer Kulturpolitik, die im Zeichen einer "geistigen Landesverteidigung" steht. Um den nationalen Zusammenhalt zu verstärken, empfiehlt er dem Parlament die Schaffung der Kulturstiftung Pro Helvetia. Die Botschaft verweist auf Jeremias Gotthelf als einen typischen Vertreter des "Schweizer Geistes".

Bundesblatt 1938, Bd. II.

Charles Ferdinand Ramuz

In der Schweizer Kulturpropaganda der Nachkriegszeit verkörpert Charles Ferdinand Ramuz das für die nationale Identität wichtige ländliche Element. Nach einem Aufenthalt in Paris kehrt Ramuz in die Waadt zurück, wo er seinen unverkennbaren Stil entwickelt. Künstlerporträt des Kurzwellendiensts der SRG, 1949.

Archiv Swissinfo, in Zusammenarbeit mit Memoriav

Gotthelf in England, 1953

1953 finanziert Pro Helvetia die Publikation einer englischsprachigen Studie über Jeremias Gotthelf. Sie ist das Werk des Germanisten Herbert Waidson. Waidson ist ein wichtiger Kulturvermittler zwischen der Schweiz und England und übersetzt mehrere Erzählungen von Gotthelf.

Schweizerische Nationalbibliothek

Gotthelf in England, 1953

Die ersten Seiten der Studie von Herbert Waidson über Gotthelf.

Schweizerische Nationalbibliothek

"The Black Spider"

1958 erscheint in London eine englische Übersetzung der Erzählung Die schwarze Spinne.

Schweizerische Nationalbibliothek

Gotthelf in Japan

1960 finanziert Pro Helvetia eine japanische Übersetzung der Novelle Die schwarze Spinne.

Schweizerische Nationalbibliothek

neu

Der „zweite Weg“ für die Dritte Welt

1970 bis 2000

Ethnographische Museen nehmen ihrem Wesen gemäss an den Kulturbeziehungen eines Landes teil.

Die Auslandschweizer im Dienst der kulturellen Ausstrahlung

1916 bis 1976

Lange ist die Schweiz ein Auswanderungsland, das seine Bewohner in Zeiten wirtschaftlicher Schwier

Die Schweizerische UNESCO-Kommission: ein Instrument der Kulturbeziehungen

1949 bis 2016

Mit ihrem Beitritt zur UNESCO fügt sich die Schweiz nicht nur in eine Spezialorganisation der UNO

Rousseau Swiss Made

1945 bis 1968

Mit Vorliebe nutzt ihn die Schweizer Kulturdiplomatie, um das Bild der alpinen Idylle, der Schweiz

Ein Einblick in die Schweizer Kultur in Japan

1950 bis 1970

In Japan stehen Buchausstellungen hoch im Kurs, und die Schweizer Verlage nehmen in den 1950er und

Ein junger Historiker durchdenkt die kulturelle Ausstrahlung der Schweiz

1946

Pro Helvetia wird 1939 gegründet, um einen Beitrag an die kulturelle Selbstbehauptung zu leisten.

Architekten zeichnen die Pläne der ersten Kulturbeziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg

1945

Nach dem Krieg ist die Frage der Kulturbeziehungen mit Deutschland ein offizielles Tabu.

Die Anfänge des Schweizer Pavillons an der Cité internationale universitaire

1925 bis 1933

Der Schweizer Pavillon an der Cité internationale universitaire von Paris befindet sich  an der Sc

Pro Helvetia, Männer... und Frauen!

1939 bis 2012

Pro Helvetia besteht vor allem aus einem Stiftungsrat mit 25 Mitgliedern und einem ständigen Sekre

Kultur und Bildung für den Frieden

1946

„Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert