Die Auslandschweizer im Dienst der kulturellen Ausstrahlung
Lange ist die Schweiz ein Auswanderungsland, das seine Bewohner in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten wegziehen lässt. Schon im 16. Jahrhundert machen sich bescheidende Berner oder Aargauer Bauern auf den Weg und schrecken nicht davor zurück, auf der Suche nach einem besseren Leben die Ozeane zu überqueren. Diese Entwicklung verstärkt sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht zuletzt dank der Fortschritte der Hochseeschifffahrt. Anfangs des 20. Jahrhunderts verlassen in jedem Jahrzehnt 40'000 bis 50'000 Schweizer ihr Land. Auch wenn diese Zahl ab den 1930er Jahren auf einige tausend Emigranten pro Jahr zurückgeht, entstehen in der ganzen Welt eigentliche „Kolonien“, insbesondere in Nord- und Südamerika.
Die Schweizer Emigranten schliessen sich häufig in patriotischen Gesellschaften zusammen, gründen Schulen und Zeitungen und bewahren eine relativ starke Bindung mit der Heimat. In der Zwischenkriegszeit führt die Stärkung des Nationalbewusstseins zur Einrichtung mehrerer Institutionen, die den Auswanderern zur Seite stehen wollen. Die 1916 gegründete Auslandschweizer-Organisation und das 1919 geschaffene Auslandschweizer-Sekretariat beispielsweise bemühen sich um eine stärkere Verbindung zwischen der Eidgenossenschaft und den Kolonien.
Bei ihrer Gründung 1939 erhält Pro Helvetia den Auftrag, „die geistigen Verbindungen mit den Auslandschweizern zu erhalten und zu stärken und im Ausland die Kenntnis der geistigen Bedeutung der schweizerischen Eidgenossenschaft und ihrer Besonderheit zu verbessern“[1]. Die Emigranten erscheinen oft als „Vorposten“ der Schweizer Kultur, als Mittler für die Verbreitung der Schweizer Traditionen, der Volkskunst und der kulturellen Werke.
Während der Kriegsjahre delegiert Pro Helvetia die internationale Kulturarbeit an das Auslandschweizer-Sekretariat. Von 1927 bis 1959 von Alice Briod geleitet, organisiert es Vorträge, Filmvorführungen und Konzerte. Besondere Aufmerksamkeit erhält die Herausgabe und Verbreitung der Zeitschrift Echo, welche die Eidgenossenschaft und die Schweizer Kultur in einem günstigen Licht darstellt.
Alice Briod wird 1953 in den Stiftungsrat von Pro Helvetia berufen. Bis zu ihrer Pensionierung 1959 hilft sie, die Beziehungen zur „fünften Schweiz“ mittels Kultur zu stärken. Dank ihres Netzwerks verschafft sie Pro Helvetia Kontakte in der ganzen Welt. Der kulturelle Auslandpressedienst von Pro Helvetia kann sich mehrmals auf ihre Beziehungen stützen, um im Ausland Artikel über die Schweizer Kultur zu verfassen oder zu verbreiten.
Die kulturellen Vereinigungen der Emigranten und die Schweizer Schulen im Ausland begrüssen im Allgemeinen die Existenz von Pro Helvetia. Allerdings teilen die Mitglieder der Stiftung nicht immer die Vorstellung ihrer Mitbürger im Ausland in Bezug auf die Gestaltung der kulturellen Tätigkeit. Die kulturellen Vorlieben der ersteren liegen manchmal weit weg von den patriotischen Vorstellungen der letzteren, die das nostalgische Bild einer in den traditionellen Werten verankerten Schweiz pflegen. Dennoch erweisen sich die Auslandschweizer in manchen Fällen als ein wichtiger Motor für Veränderungen. Anlässlich ihrer Jahresversammlung 1965 sorgen sich die Delegierten um die mangelnde kulturelle Ausstrahlung der Schweiz und unterstützen so die Bestrebungen um eine Reform von Pro Helvetia. 1966 wird der Kulturstiftung eine Verdoppelung ihrer finanziellen Mittel zugestanden. Ein 1976 verabschiedetes Bundesgesetz sieht die Koordination der im Bereich der kulturellen Auslandpräsenz tätigen Stellen vor und schliesst die Auslandschweizer-Organisationen mit ein. So findet die Bedeutung der Auslandschweizer für die Verbreitung des Bildes der Schweiz auf der internationalen Bühne eine Anerkennung. (pm)
Literaturverzeichnis und Quellen
Arlettaz Gérald, „Les Suisses de l’étranger et l’identité nationale“, in Etudes et sources, n° 12, Bern: Bundesarchiv, 1986, S. 5-35.
Historisches Lexikon der Schweiz: Perrenoud Marc, „Suisses de l’étranger“, „Colonies suisses“
Schweizer Bundesarchiv
[1] Ausschnitt aus der Rede von Philipp Etter während der Gründungssitzung von Pro Helvetia, 15. November 1939. BAR E3800, 1967/87, Bd. 5.