Die Reise in die Schweiz
Einladungen von Journalisten und Persönlichkeiten des kulturellen Lebens aus dem Ausland sind ein wichtiger Teil der schweizerischen internationalen Kulturpolitik. Dank der Initiativen von Pro Helvetia und anderer Institutionen befruchten sie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs den Dialog der Schweiz mit der Welt.
Ausländische Reisende haben entscheidend zur Herausbildung der nationalen Identitäten beigetragen. Vor dem Zeitalter der modernen Kommunikationsmittel mit ihren fast grenzenlosen Informationsmöglichkeiten stellen ihre Berichte und Zeugnisse oft die einzige Möglichkeit dar, ein anderes Land kennenzulernen. Im Fall der Schweiz ist die Bedeutung der Reisen für die Selbstdarstellung des Landes besonders ausgeprägt: Die meisten nationalen Mythen haben ihren Ursprung ausserhalb der Landesgrenzen.
Schon im 18. Jahrhundert weckt die Eidgenossenschaft das Interesse der europäischen Eliten. Die Alpenlandschaften und ihre Bewohner stehen im Gegensatz zur städtischen Zivilisation und werden in der Fremdwahrnehmung zum Spiegel eines goldenen Zeitalters, in dem die Ideale von Gleichheit und Demokratie verwirklichen scheinen. Die Berichte der Reisenden verklären die helvetischen Zustände und begründen den Mythos eines neuen Edens in den Schweizer Alpen. Das 19. Jahrhundert führt die idyllische Wahrnehmung der Schweiz fort, während der von Schiller nacherfundene Tell-Mythos zu einem wirkungsvollen Symbol des Kampfes für Freiheit und Demokratie wird.
Heutzutage haben die Reiseberichte ihr Monopol als Informationsträger zwischen der Schweiz und dem Ausland längst verloren. Trotzdem beeinflussen Artikel, Filme und Radiosendungen ausländischer Journalisten noch immer entscheidend die äussere Wahrnehmung des Landes.
Der Rückgriff auf die Reise als Mittel der Öffentlichkeitsarbeit geht auf das Ende des Zweiten Weltkriegs zurück. In dieser Zeit beginnen die Bundesbehörden, eine systematische Informationspolitik aufzubauen. Anfangs der 1950er Jahre schafft Pro Helvetia einen eigenen Auslandpressedienst, der den Reisen eingeladener ausländischer Journalisten und Persönlichkeiten eine kulturelle Ausrichtung gibt. Ab den 1970er Jahren werden die Einladungen in die Schweiz zum Mittel, das Land zur Welt hin zu öffnen. An den von Pro Helvetia und anderen Institutionen organisierten Reisen nehmen immer öfter Besucher aus fernen Ländern wie China, Saudi-Arabien oder Senegal teil.
Die lange Tradition der Reise in die Schweiz setzt sich heute sowohl im kulturellen Bereich wie im Bereich der Informationspolitik fort. Während Pro Helvetia die Reise als Teil des Dialogs und des Austauschs zwischen Künstlern fördert und ausländische Veranstalter zum Besuch helvetischer Kulturinstitutionen einfliegt, stellen offizielle Akteure wie das EDA sie in den Dienst der Imagewerbung.