Das Erwachen der Avantgarde

par Thomas Kadelbach

Thomas Kadelbach, né en 1979. Après des études d'histoire et littérature française à Angers, Fribourg et Madrid, il collabore au projet de recherche FNS Les relations culturelles internationales de la Suisse, 1945-1990. Thèse de doctorat sur Pro Helvetia et l'image de la Suisse à l'étranger. Actuellement collaborateur scientifique à l'Université de Neuchâtel.
, Thomas Kadelbach, born in 1979. Studied history and French literature in Angers, Fribourg and Madrid. Research assistant in the SNSF research project Switzerland's International Cultural Relations, 1945-1990. PhD thesis on Pro Helvetia and the image of Switzerland abroad. Currently scientific collaborator at the University of Neuchâtel.

Gegenwartskunst
Malerei
Skulptur
Geistige Landesverteidigung
biennale

Das zeitgenössische Kunstschaffen bildet heute einen Hauptbestandteil der Tätigkeiten von Pro Helvetia und einen der wichtigsten Träger der kulturellen Präsenz der Schweiz im Ausland. Diese Ausrichtung steht im Gegensatz zur Anfangsphase der kulturellen Aussenpolitik vorherrscht und wie sie bis in die 1960er Jahre weiterbesteht.

Im konservativen politischen Klima der Schweiz der 1930er und 1940er Jahre werden die der geometrischen Abstraktion und dem Surrealismus verpflichteten Maler der Avantgarde von den öffentlichen Institutionen weder unterstützt noch anerkannt. Um ihre Interessen dennoch verteidigen zu können, formieren sie sich in Künstlergruppen, die auch politische Forderungen aufstellen. Zu den bekanntesten dieser Bewegungen gehören die in Basel ansässige Gruppe 33 und die 1937 in Zürich gegründete Allianz. Trotz ihres grossen Engagements und zahlreicher Ausstellungen stossen die Vertreter der Avantgarde erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf eine gewisse Beachtung seitens der öffentlichen Stellen. 1946 wird anlässlich einer nationalen Kunstausstellung die abstrakte Malerei erstmals berücksichtigt; zehn Jahre später, an der eidgenössischen Kunstausstellung in Basel, verzichtet die Eidgenössische Kunstkommission schliesslich auf eine räumliche Trennung zwischen gegenständlicher und abstrakter Malerei, so dass sich die Schweizer Kunstproduktion nun als einheitliches Ganzes präsentiert.

In der kulturellen Präsenz der Schweiz im Ausland ist die Integration der zeitgenössischen Kunstströmungen ein langsamer Prozess, der immer wieder von Kontroversen über die Qualität und den repräsentativen Charakter der Werke begleitet wird. 1948 vertritt die von Pro Helvetia mit der Organisation einer Ausstellung in Deutschland beauftragte Jury das Konzept einer „gesunden Kunst“, welche die Stabilität der Schweizer Verhältnisse bezeugen soll. In dem von Cuno Amiet und seinen Nachfolgern beherrschten künstlerischen Panorama nehmen die Vertreter der Avantgarde lediglich eine Aussenseiterposition ein. 1950 provoziert eine in Stockholm gemäss ähnlichen Kriterien durchgeführte Ausstellung die Kritik der schwedischen Partner von Pro Helvetia, die eine grössere Berücksichtigung der zeitgenössischen Kunst fordern.

Die erste von Pro Helvetia organisierte Ausstellung, die der abstrakten Malerei einen signifikanten Platz einräumt, findet 1956 im franquistischen Spanien statt. Diese Ausstellung präsentiert eine gleiche Zahl gegenständlicher und abstrakter Kunstwerke, die teilweise von sehr jungen Künstlern stammen. Jean Lecoultre, der jüngste von ihnen, ist 26 Jahre alt und lebt in der spanischen Hauptstadt. Allerdings stösst die Ausstellung in der Presse und beim Publikum auf mässige Begeisterung, und das konservative Kulturideal des Franquismus verhindert einen wirklichen Dialog über die abstrakte Kunst. Eine Zeitung berichtet sogar von schockierten Besuchern, die sich bekreuzigen und den Ausstellungssaal so schnell wie möglich wieder verlassen…

Der endgültige Durchbruch der Avantgarde erfolgt in der kulturellen Präsenz der Schweiz im Ausland 1958 mit der in Westberlin organisierten Ausstellung Ungegenständliche Kunst in der Schweiz. Diese der geometrischen Abstraktion und dem Tachismus gewidmete Ausstellung stellt auch die Bedeutung des Nationalen in der Kunst infrage. Für die Berliner Zeitungen veranschaulicht sie die Emanzipation der Kunst von den nationalen Grenzen.

In der Folge setzt sich die Öffnungsbewegung in den von Pro Helvetia organisierten Kunstausstellungen fort und spiegelt sich in zahlreichen Projekten, deren Hauptziel der Dialog über das aktuellste Kunstschaffen ist. Bedeutende Ausstellungen zeitgenössischer Kunst finden 1971 und 1985 in New York und 2003 in Madrid statt. (tk)

Archivbestände
BAR E9510.6 1991/51, Bd. 275, 349, 352

Literaturhinweise
Dreissiger Jahre Schweiz, ein Jahrzehnt im Widerspruch: Ausstellung Kunsthaus Zürich, 30.10.-10.2.1982, Zürich, Kunsthaus 1981
Lüthy, Hans A. und Heusser, Hans-Jörg: L’Art en Suisse 1890-1980, Lausanne, Payot 1983
Omlin, Sybille: Kunst aus der Schweiz: Kunstschaffen und Kunstsystem im 19. und 20. Jahrhundert, Zürich, Pro Helvetia 2002 

medias

Hamburg, 1948

1948 organisiert Pro Helvetia ihre erste Kunstausstellung im Ausland. Sie bietet einen Überblick über die zeitgenössische Schweizer Malerei und wird in mehreren deutschen Städten gezeigt. Die Jury berücksichtigt hauptsächlich die gegenständliche Malerei, vertreten durch Cuno Amiet und seine Nachfolger.

Cuno Amiet, Atelier im Herbst, 1906

© M. und D. Thalmann, CH-3360 Herzogenbuchsee

Die abstrakte Kunst in Spanien

1956 schickt Pro Helvetia erstmals eine Ausstellung ins Ausland, die der abstrakten Kunst einen signifikanten Platz einräumt. Sie richtet sich an das spanische Publikum und wird in Madrid und Barcelona gezeigt. 

Bundesarchiv E 9510.6 1991/51, Bd. 352

Berlin, 1958

1958 findet der Einbezug der abstrakten Kunst in die Schweizer Kulturpolitik im Ausland einen vorläufigen Abschluss. In Westberlin zeigt Pro Helvetia die von Marcel Joray zusammengestellte Ausstellung Ungegenständliche Kunst in der Schweiz.

Bundesarchiv E 9510.6 1991/51, Bd. 340

Berlin, 1958

Die Ausstellung Ungegenständliche Kunst in der Schweiz vereint zwei Strömungen der abstrakten Kunst: den Tachismus und die konkrete Kunst.

Bundesarchiv E 9510.6 1991/51, Bd. 340

Die abstrakte Kunst an der Biennale

Während der Nachkriegszeit verzichtet die Eidgenössische Kunstkommission lange darauf, an der Biennale von Venedig abstrakte Kunst auszustellen. Obschon die Biennale von 1954 dem Surrealismus gewidmet ist, legt die Schweizer Beteiligung den Schwerpunkt auf die Werke von Cuno Amiet. Erst 1956 berücksichtigt die Eidgenössische Kunstkommission zum ersten Mal die abstrakte Kunst und schickt eine Auswahl zeitgenössischer Skulpturen nach Venedig.

Katalog des Schweizer Pavillons in Venedig, 1956. Schweizerische Nationalbibliothek

Die Avantgarde als offizielles Kunstkonzept

1971 organisiert Pro Helvetia in New York die Ausstellung The Swiss Avant Garde. Die vom Kunstkritiker Willy Rotzler zusammengestellte Auswahl berücksichtigt verschiedene Strömungen der abstrakten Kunst und bestätigt den prominenten Platz der Gegenwartskunst in der kulturellen Präsenz der Schweiz im Ausland.

Ausstellungskatalog, Schweizerische Nationalbibliothek

New York, 1985

Die künstlerische Präsenz der Schweiz in New York setzt sich 1985 mit dem Veranstaltungszyklus Fri-Art fort. Das von Pro Helvetia und den Schweizer Wirtschaftskreisen in New York finanzierte Programm legt den Grundstein für eine ständige Kulturpräsenz der Schweiz in der amerikanischen Metropole.

Schweizerische Nationalbibliothek, Plakatsammlung

Rolf Iseli

Rolf Iseli ist der jüngste Künstler an der 1958 in Westberlin organisierten Ausstellung Ungegenständliche Malerei in der Schweiz. Die Werke des 24-jährigen Malers sind der internationalen Kunstströmung des Tachismus zuzurechnen.

Artikel über Rolf Iseli in der Datenbank Sikart: http://www.sikart.ch/KuenstlerInnen.aspx?id=4000003

Rolf Iseli, Rouge I, 1957

© Pro Litteris

"Die Zersetzung der Kunst"

In Spanien löst die Ausstellung von Pro Helvetia gemischte Reaktionen aus. Dieser am 15. November 1956 in der Zeitung Pueblo veröffentlichte Artikel sieht in der abstrakten Kunst bestenfalls einen Wandschmuck.

Bundesarchiv E 9510.6 1991/51, Bd. 352

Die abstrakte Malerei an der Biennale

An der Biennale von 1958 setzt sich die Politik der Öffnung fort. Der Schweizer Pavillon präsentiert eine Auswahl abstrakter Bilder.

Katalog des Schweizer Pavillons, Schweizerische Nationalbibliothek

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