Der Maler der Nation

par Thomas Kadelbach

Thomas Kadelbach, né en 1979. Après des études d'histoire et littérature française à Angers, Fribourg et Madrid, il collabore au projet de recherche FNS Les relations culturelles internationales de la Suisse, 1945-1990. Thèse de doctorat sur Pro Helvetia et l'image de la Suisse à l'étranger. Actuellement collaborateur scientifique à l'Université de Neuchâtel.
, Thomas Kadelbach, born in 1979. Studied history and French literature in Angers, Fribourg and Madrid. Research assistant in the SNSF research project Switzerland's International Cultural Relations, 1945-1990. PhD thesis on Pro Helvetia and the image of Switzerland abroad. Currently scientific collaborator at the University of Neuchâtel.

Malerei
Geistige Landesverteidigung

Dem 1918 verstorbenen Maler Ferdinand Hodler wird in der Schweiz vielfach eine besondere nationale Bedeutung zugesprochen. Seine Landschafts- und Historienbilder scheinen auf eigene Weise das Wesen des Landes auszudrücken. Noch 1991 definiert Jura Bruschwiler, Kunsthistoriker und Hodlerspezialist, Hodlers „Schweizerstil“ in diesen Worten: Hodler hat wohl akurater als mancher andere eine Anzahl von Eigenheiten des Schweizervolkes seiner Zeit kristallisiert. Dies äussert sich z.B. in seiner urkräftigen Strichführung, dieser angeborenen Potenz der Zeichnung, worin seine bäuerliche Hartnäckigkeit sich allen Hindernissen zum Trotz durchsetzt. Dies äussert sich auch in der feinfühligen Wahrheitstreue, die seinen Landschaften oder seinen Porträts innewohnt. Somit ergibt sich nicht nur eine nationale Thematik, sondern vor allem eine entsprechende Formulierung, die weder französisch, noch italienisch oder germanisch zu nennen ist. Sie schliesst etwas von der primitiven Kraft, der granitartigen Solidität und dem Gleichgewicht ein, die der Bergwelt und den Seelandschaften entstammen, in denen Hodler aufgewachsen ist.

In der kulturellen Aussenpolitik der Schweiz, deren ursprüngliches Ziel es ist, den schweizerischen Beitrag an die Kunst- und Kulturgeschichte deutlich zu machen, bestätigt sich die Bedeutung Hodlers bereits in der Zwischenkriegszeit. 1920 zeigt die Schweiz – sie nimmt erstmals an der Biennale von Venedig teil – ausschliesslich Werke Hodlers, und Pro Helvetia bedient sich nach dem Zweiten Weltkrieg des Berner Malers, um dem Ausland die Besonderheiten der Schweizer Kunst zu vermitteln.

1954 organisiert die Kulturstiftung eine erste grosse Hodler-Retrospektive in Deutschland, deren Ziel es ist, dem Maler einen prominenten Platz in der europäischen Kunstgeschichte zu sichern. An der Eröffnung der Ausstellung unterstreicht Jean-Rudolf von Salis, Präsident von Pro Helvetia, die Bedeutung der Schweiz im kulturellen Bereich und bezeichnet Hodler als Inbegriff der Schweizer Kunst: „Ferdinand Hodler war Schweizer. Er wurzelt im Heimatlichen, und die Deutlichkeit seiner Aussage – in Landschaft, Figur, Historie – weist auf diesen Ursprung.“ Dieser zeitlosen Betrachtungsweise entsprechend verzichtet die Jury der Ausstellung auf die symbolistischen Bilder, die einen gewissen Dialog mit jüngeren Kunstrichtungen ermöglicht hätten, und konzentriert sich in erster Linie auf die Landschaftsbilder.

In den 1970er Jahren organisiert Pro Helvetia Hodlerausstellungen in Japan und in den USA, wo der Maler bis zu diesem Zeitpunkt nahezu unbeachtet geblieben ist. Die Bilder Hodlers werden unter anderem im Guggenheim Museum von New York ausgestellt.

Während des ganzen 20. Jahrhunderts stellt Hodlers Werk einen festen Bestandteil der kulturellen Präsenz der Schweiz im Ausland dar. Die ihm zugesprochene Bedeutung löst sich allerdings schrittweise von der engen nationalen Betrachtungsweise und berücksichtigt immer mehr auch die europäischen Einflüsse. Darin spiegeln sich die Veränderungen im politischen Umfeld der Schweiz, geprägt von einem kulturellen Austausch, welcher die Idee der nationalen Eigenständigkeit obsolet macht. 1983 schreibt Luc Boissonnas, Direktor von Pro Helvetia, der ausschliessliche Blick auf das Nationale in der Malerei Hodlers habe bisher einen echten Dialog über seinen künstlerischen Ansatz verunmöglicht. Gleichzeitig werden innerhalb der Kulturstiftung die Hodlerausstellungen erstmals als künstlerisch überholt kritisiert.

Trotzdem setzen Hodlers Bilder unter dem Patronat von Pro Helvetia ihre Welttournee fort und sind 1988 Bestandteil prestigeträchtiger Ausstellungen in Leningrad und Moskau. 2007 findet im Musée d’Orsay in Paris eine weitere Retrospektive statt. In ihrem Grusswort unterlässt es Bundesrätin Micheline Calmy-Rey nicht, die künstlerischen Qualitäten der Bilder dieses „typisch schweizerischen“ Malers zu unterstreichen. (tk)

Archivbestände
BAR E9510.5 1991/51, Bd. 273, 349, 350, 903, 933, 934, 935

Literaturhinweise
Ferdinand Hodler et les Suisses, Bern, Editions Pecel Art 1991
Menz-von der Mühll, Marguerite et Cäsar: Zwischen Kommerz, Kompromiss und Kunstvorstellung. Die Präsenz im Ausland, in: Der Bund fördert, der Bund sammelt. 100 Jahre Kunstförderung des Bundes, Bundesamt für Kultur, Bern 1988

medias

Hodler in den USA, 1973

Aus Anlass der grossen Hodlerausstellung in den USA strahlt der Schweizer Kurzwellendienst 1973 ein Interview mit Jura Brüschweiler aus, Kurator der Ausstellung und Spezialist des Malers.

Archiv Swissinfo, in Zusammenarbeit mit Memoriav

Der Maler der Nation

Ferdinand Hodler wird oft als typisch schweizerischer Maler angesehen.

Ferdinand Hodler, Eiger, Mönch und Jungfrau über dem Nebel, 1908

Kunstmuseum Bern

Der Granit der Alpen

Die grosse Hodlerausstellung 1954 in Deutschland ist für die deutsche Presse Anlass, um über die granitene Malerei des Alpenlandes nachzudenken.

Hamburger Echo, 5.10.1954

Jacques Chirac trifft Ferdinand Hodler

Am 10. Mai 1983 eröffnet Jacques Chirac, zu diesem Zeitpunkt Bürgermeister von Paris, eine Hodlerausstellung im Musée du Petit Palais.

Archiv Pro Helvetia

Hodler in Moskau

Katalog der Hodlerausstellung in Moskau, 1988.

Schweizerische Nationalbibliothek

Hodler im Musée d'Orsay

2007 ist Pro Helvetia an der Organisation einer Hodlerausstellung im Musée d'Orsay in Paris beteiligt.

Schweizerische Nationalbibliothek

Hodler in Japan

Ausschnitt aus dem Katalog der Hodlerausstellung in Japan, 1975.

Schweizerische Nationalbibliothek

Hodler in den USA

1996 organisiert Pro Helvetia eine weitere Hodlerausstellung in den USA. In diesem Land wurden die Werke Hodlers zum ersten Mal 1973 ausgestellt, dank einer von Pro Helvetia unterstützten Initiative des Museum der Universität Berkeley.

Schweizerische Nationalbibliothek, Plakatsammlung

Hodler in Japan

Plakat der Hodlerausstellung 1975 in Japan.

Bundesarchiv E 2200/136 1989/13, Bd. 39

neu

Der „zweite Weg“ für die Dritte Welt

1970 bis 2000

Ethnographische Museen nehmen ihrem Wesen gemäss an den Kulturbeziehungen eines Landes teil.

Die Auslandschweizer im Dienst der kulturellen Ausstrahlung

1916 bis 1976

Lange ist die Schweiz ein Auswanderungsland, das seine Bewohner in Zeiten wirtschaftlicher Schwier

Die Schweizerische UNESCO-Kommission: ein Instrument der Kulturbeziehungen

1949 bis 2016

Mit ihrem Beitritt zur UNESCO fügt sich die Schweiz nicht nur in eine Spezialorganisation der UNO

Rousseau Swiss Made

1945 bis 1968

Mit Vorliebe nutzt ihn die Schweizer Kulturdiplomatie, um das Bild der alpinen Idylle, der Schweiz

Ein Einblick in die Schweizer Kultur in Japan

1950 bis 1970

In Japan stehen Buchausstellungen hoch im Kurs, und die Schweizer Verlage nehmen in den 1950er und

Ein junger Historiker durchdenkt die kulturelle Ausstrahlung der Schweiz

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Pro Helvetia wird 1939 gegründet, um einen Beitrag an die kulturelle Selbstbehauptung zu leisten.

Architekten zeichnen die Pläne der ersten Kulturbeziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg

1945

Nach dem Krieg ist die Frage der Kulturbeziehungen mit Deutschland ein offizielles Tabu.

Die Anfänge des Schweizer Pavillons an der Cité internationale universitaire

1925 bis 1933

Der Schweizer Pavillon an der Cité internationale universitaire von Paris befindet sich  an der Sc

Pro Helvetia, Männer... und Frauen!

1939 bis 2012

Pro Helvetia besteht vor allem aus einem Stiftungsrat mit 25 Mitgliedern und einem ständigen Sekre

Kultur und Bildung für den Frieden

1946

„Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert