Ingenieure und Architekten
Seit 1930 führt eine mehr als hundertdreissig Meter lange Bogenbrücke über das Salginatobel bei Küblis im Kanton Graubünden. Mit ihrer filigranen Struktur aus Stahlbeton steht sie für einen neuen, innovativen Ansatz im Brückenbau. Die Salginatobelbrücke ist eines der berühmtesten Bauwerke des 1872 geborenen Genfer Ingenieurs Robert Maillart, der entscheidend zur Entwicklung des Stahlbetonbaus beigetragen hat. 1991 wird sie von der American Society for Civil Engineers ausgezeichnet und in die Reihe der World Monuments aufgenommen, in der die wichtigsten Ingenieurbauten der Menschheitsgeschichte vertreten sind.
Während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzen weitere an der ETH ausgebildete Ingenieure wie Pierre Lardy und Christian Menn den von Maillart eingeschlagenen Weg fort. Zu den bekanntesten Bauwerken Menns gehören die anfangs der 1960er Jahre errichtete Rheinbrücke bei Reichenau und die Autobahnbrücke bei Felsenau. Zwischen 1996 und 2005 wird im Prättigau nach seinen Plänen die auf vier Pylonen gespannte und leicht geneigte Sunnibergbrücke errichtet.
Die innovativen Bauwerke der Schweizer Ingenieure ziehen im 20. Jahrhundert nicht nur die Aufmerksamkeit des Fachpublikums auf sich, sondern bilden auch einen wichtigen Bestandteil der kulturellen Präsenz der Schweiz im Ausland. Die internationale Tätigkeit von Pro Helvetia verwandelt die Schweizer Brücken, Staumauern, Strassen und Wasserkraftwerke in eigentliche Kulturgüter. Das Ingenieurwesen taucht anfangs der 1970er Jahren erstmals in den Programmen der Kulturstiftung auf. Die für die Kulturpolitik im Ausland verantwortliche Gruppe I beschliesst, eine Wanderausstellung über Schweizer Ingenieurbauten aufzustellen. Diese hauptsächlich an die Entwicklungsländer gerichtete Ausstellung wird in mehr als zwanzig Exemplaren produziert und in Südamerika, Afrika und Asien gezeigt. In gleicher Weise beteiligt sich Pro Helvetia 1979 in den USA aus Anlass des hundertsten Geburtstags Othmar H. Ammanns an einer Ausstellung, die dem Leben und den wichtigsten Bauwerken dieses ursprünglich aus Schaffhausen stammenden Ingenieurs gewidmet ist.
Neben den Ingenieuren nehmen auch die Architekten einen wichtigen Platz in der kulturellen Präsenz der Schweiz im Ausland ein. 1947 findet eine erste grosse Architekturausstellung im Londoner Royal Institute of British Architects statt, für die der Bund und Pro Helvetia bedeutende Mittel aufwenden. In seiner Botschaft bestimmt der Bundesrat gleich selbst die Besonderheiten der Schweizer Architektur und stellt deren Sachlichkeit und sorgfältige Ausführung in Zusammenhang mit der Mentalität des Landes. Ab 1953 ist eine von Pro Helvetia aufgestellte Architekturausstellung in den USA unterwegs, wo sie das Bild eines innovativen und den modernen Strömungen gegenüber aufgeschlossenen Landes vermittelt. Nach einem Umweg über Irland, Deutschland und Polen erreicht die Ausstellung 1958 Südafrika. 1968 schickt Pro Helvetia zum ersten Mal eine Architekturausstellung in die Sowjetunion und andere Länder Osteuropas und erweitert damit die geografische Ausstrahlung der Schweizer Architektur.
Anfangs der 1980er Jahre stellt die Kulturstiftung eine neue Ausstellung zusammen, die den jüngsten Entwicklungen der Architektur gewidmet ist und unter anderem an der Hochschule der Künste in Berlin und am Massachusett Institute of Technology in Boston gezeigt wird. Gleichzeitig unterstützt Pro Helvetia zum ersten Mal Projekte einzelner Architekten wie Mario Botta und stellt dessen Werk in Europa und anderswo aus. (tk)
Archivbestände
BAR E9510.6 1991/51, Bd. 266-269, 859-880
Literaturhinweise
Allenspach, Christoph: Architektur in der Schweiz: Bauen im 19. und 20. Jahrhundert, Zürich, Pro Helvetia 1998
Billington, David P.: The art of structural design. A Swiss legacy, Princeton, Princeton University Art Museum 2003
Roth Alfred, Zur neuen Schweizer Architektur der dreissiger Jahre, in : Dreissiger Jahre Schweiz, ein Jahrzehnt im Widerspruch: Ausstellung Kunsthaus Zürich, 30.10.-10.2.1982, Zürich, Kunsthaus 1981, S. 126-128