Paul Klee: eine Frage der Nationalität

par Thomas Kadelbach

Thomas Kadelbach, né en 1979. Après des études d'histoire et littérature française à Angers, Fribourg et Madrid, il collabore au projet de recherche FNS Les relations culturelles internationales de la Suisse, 1945-1990. Thèse de doctorat sur Pro Helvetia et l'image de la Suisse à l'étranger. Actuellement collaborateur scientifique à l'Université de Neuchâtel.
, Thomas Kadelbach, born in 1979. Studied history and French literature in Angers, Fribourg and Madrid. Research assistant in the SNSF research project Switzerland's International Cultural Relations, 1945-1990. PhD thesis on Pro Helvetia and the image of Switzerland abroad. Currently scientific collaborator at the University of Neuchâtel.

Gegenwartskunst
Malerei
Australien

1974 haben australische Kunstinteressierte zum ersten Mal Gelegenheit, das Werk eines Malers zu entdecken, der oft als Aushängeschild der Schweizer Kunst des 20. Jahrhunderts schlechthin genannt wird: Paul Klee. In Zusammenarbeit mit dem Australian Council for the Arts zeigt Pro Helvetia eine von einem zahlreichen Publikum besuchte Ausstellung dieses Künstlers in Sydney, Melbourne und Adelaide.

Paul Klee entwickelt sich während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem der wichtigsten Botschafter der Schweizer Kunst, obschon er zu Lebzeiten in seiner Wahlheimat auf wenig Zustimmung gestossen ist. Während der Geistigen Landesverteidigung der 1930er und 1940er Jahre lehnt das Publikum Klees abstrakte Werke mehrheitlich ab, während die NZZ sie 1940 sogar in die Nähe der Schizophrenie rückt. Nach einer gründlichen Untersuchung spricht sich das Berner Polizeikommando 1939 gegen die Einbürgerung Klees aus, den es wegen seiner umstrittenen Kunst als potentiellen Sozialfall ansieht.

Auch Pro Helvetia bekundet anfangs Mühe, den in Münchenbuchsee geborenen Künstler deutscher Staatsangehörigkeit als Vertreter des Schweizer Kunstschaffens anzuerkennen. Sein „Schweizertum“ ist in der Gruppe I ebenso umstritten wie dasjenige des bereits eingebürgerten Komponisten Wladimir Vogel. Mit ihrer Haltung steht Pro Helvetia nicht allein. 1948 interveniert der Schweizer Konsul in Los Angeles auf Anordnung des Politischen Departements bei der Zeitung The Los Angeles Times, die Klee fälschlicherweise als Schweizer Maler bezeichnet hatte.
Im Ausland stösst der offizielle Boykott der Werke Paul Klees auf wenig Verständnis. Anlässlich einer Ausstellung zeitgenössischer Schweizer Malerei in Stockholm 1950 wird er von der schwedischen Presse mit Hohn und Spott kommentiert: Hier sucht man einen Namen, den grössten in der modernen schweizerischen Kunst: Paul Klee. Wie kommt es, dass er vergessen worden ist, während ein ganzer Haufen uninteressanter Künstler als würdig befunden wurden, ihr Land zu vertreten? Das ist armselig. Und es ist unnötig. Das unumstrittene internationale Prestige Paul Klees erweist sich in der Folge als gewichtigeres Argument als Erwägungen zum Stammbaum.

Der kulturelle Auslandpressedienst von Pro Helvetia entdeckt als erster den Nutzen Klees für die Kulturpropaganda. In einem 1955 verbreiteten Artikel veranschaulicht die Biografie Paul Klees die traditionelle schweizerische Gastfreundlichkeit in Zeiten politischer Intoleranz: Als 1933 über Deutschland die Finsternis der Nazizeit hereinbrach, in der für Geister wie Klee kein Raum mehr war, wandte er sich […] wieder der Schweiz zu. […] Klee wusste, dass er hier ein ihm von Jugend auf vertrautes geistiges Klima vorfinden werde. Diese Gewissheit und eine in politischen Dingen immer wachsamer werdende öffentliche Meinung waren dazu angetan, ihm ein Gefühl von Geborgenheit zu geben.

1956 schliesslich berücksichtigt Pro Helvetia erstmals Werke Paul Klees in einer Ausstellung, die im franquistischen Spanien auf eine entsprechende Einladung des Bildungsministeriums gezeigt wird. Letzteres verlangt ausdrücklich den Einbezug von Bildern des als Schweizer angesehenen Künstlers. Klees posthume Karriere als Schweizer Kulturbotschafter kann so im Winter 1956 in Madrid und Barcelona beginnen und führt zwanzig Jahre später bis nach Australien. (tk)

Archivbestände
BAR E9510.6 1991/51, Bd. 76, 277, 352

Literaturhinweise
Dreissiger Jahre Schweiz, ein Jahrzehnt im Widerspruch: Ausstellung Kunsthaus Zürich, 30.10.-10.2.1982, Zürich, Kunsthaus 1981

medias

Paul Klee in Polen

Plakat einer Klee-Ausstellung in Polen, 2001.

Schweizerische Nationalbibliothek, Plakatsammlung

Das Aushängeschild der Schweizer Kunst

Paul Klee wird oft als Aushängeschild der Schweizer Kunst des 20. Jahrhunderts angesehen.

Paul Klee, Flotille am kalten Morgen, 1927

Artikel über Paul Klee in der Datenbank Sikart: http://www.sikart.ch/kuenstlerinnen.aspx?id=4000058

Kunstmuseum Bern

Paul Klee in Spanien

Am 5. Dezember 1956 wird in Barcelona eine Ausstellung zeitgenössischer Schweizer Malerei eröffnet. Anwesend sind neben dem Schweizer Konsul die militärischen und zivilen Behörden der Stadt. Zum ersten Mal ist Paul Klee in einer von Pro Helvetia im Ausland organisierten Ausstellung vertreten.

Bundesarchiv E 9510.6 1991/51, Bd. 352

Ist Paul Klee ein Schweizer Maler?

Ist Paul Klee ein Schweizer Maler? Aus Anlass der Kunstausstellung in Madrid und Barcelona hinterfragt die Gazette de Lausanne die Staatsangehörigkeit des Malers.

Gazette de Lausanne, 15./16.12.1956

Ist Paul Klee ein Schweizer Maler?

Pro Helvetia rechtfertigt die Berücksichtigung von Paul Klee an der Ausstellung in Spanien:

Trotz unserer Einwände wegen der Nationalität Klees hat Madrid darauf bestanden, dass dieser Künstler unter den fünfundzwanzig für die Veranstaltung ausgewählten Malern vertreten ist. [...] unsere Stiftung hat beschlossen, diesem Wunsch teilweise Folge zu leisten. Obschon es einfach gewesen wäre, aus Klee das Aushängeschild der Ausstellung zu machen, haben wir seine Beteiligung absichtlich auf fünf Aquarelle mittleren Formats beschränkt, während seine Schweizer Kollegen mit Ölbildern vertreten waren. Zudem erwähnte der Katalog die deutsche Nationalität des Malers, während das Geleitwort ganz auf ihn verzichtete, um beim spanischen Publikum jegliche Unklarheit zu verhindern.

Gazette de Lausanne, 22./23.12.1956

Von Hodler bis Klee

1960 wird Klee zum ersten Mal im Titel einer Übersichtsausstellung über die moderne Malerei in der Schweiz erwähnt.

Schweizerische Nationalbibliothek

neu

Der „zweite Weg“ für die Dritte Welt

1970 bis 2000

Ethnographische Museen nehmen ihrem Wesen gemäss an den Kulturbeziehungen eines Landes teil.

Die Auslandschweizer im Dienst der kulturellen Ausstrahlung

1916 bis 1976

Lange ist die Schweiz ein Auswanderungsland, das seine Bewohner in Zeiten wirtschaftlicher Schwier

Die Schweizerische UNESCO-Kommission: ein Instrument der Kulturbeziehungen

1949 bis 2016

Mit ihrem Beitritt zur UNESCO fügt sich die Schweiz nicht nur in eine Spezialorganisation der UNO

Rousseau Swiss Made

1945 bis 1968

Mit Vorliebe nutzt ihn die Schweizer Kulturdiplomatie, um das Bild der alpinen Idylle, der Schweiz

Ein Einblick in die Schweizer Kultur in Japan

1950 bis 1970

In Japan stehen Buchausstellungen hoch im Kurs, und die Schweizer Verlage nehmen in den 1950er und

Ein junger Historiker durchdenkt die kulturelle Ausstrahlung der Schweiz

1946

Pro Helvetia wird 1939 gegründet, um einen Beitrag an die kulturelle Selbstbehauptung zu leisten.

Architekten zeichnen die Pläne der ersten Kulturbeziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg

1945

Nach dem Krieg ist die Frage der Kulturbeziehungen mit Deutschland ein offizielles Tabu.

Die Anfänge des Schweizer Pavillons an der Cité internationale universitaire

1925 bis 1933

Der Schweizer Pavillon an der Cité internationale universitaire von Paris befindet sich  an der Sc

Pro Helvetia, Männer... und Frauen!

1939 bis 2012

Pro Helvetia besteht vor allem aus einem Stiftungsrat mit 25 Mitgliedern und einem ständigen Sekre

Kultur und Bildung für den Frieden

1946

„Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert