San Antonio, 1968: "Der Vogel der Zwietracht"
1968 beteiligt sich die Schweiz an der internationalen Ausstellung Hemisfair, die in San Antonio in Texas USA stattfindet. Der von Pro Helvetia in Zusammenarbeit mit der Schweizer Zentrale für Handelsförderung realisierte Pavillon steht im Zeichen des Humors und soll das den Amerikanern vertraute Bild der Schweiz von einer überraschenden Seite zeigen. Wichtigster Bestandteil der Inszenierung ist ein riesiger Vogel aus Metall im Stile Tinguelys, der langsam seine Flügel auf und ab bewegt und in der Mitte des Ausstellungspavillons schwebt. Gesteuert wird er von Wilhelm Tell, der die Runde mit einem Fernrohr überblickt und als Passagier Jean-Jacques Rousseau mit sich führt.
Der Pressedienst von Pro Helvetia versteht dieses ungewohnte Bild der Schweiz als Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Dynamik des Fortschritts. Der gelockerte Umgang mit den nationalen Symbolen steht im Zeichen der kulturellen Öffnung der 1960er Jahre und der Abkehr von den didaktischen Inszenierungen der Geistigen Landesverteidigung. Auch wenn der Schweizer Pavillon die traditionellen Werte in keiner Weise in Frage stellt, ruft Pro Helvetias Spiel mit deren wichtigsten Bestandteilen die Kritik der Auslandschweizer hervor, deren Position teilweise bei den diplomatischen Vertretungen auf Verständnis stösst.
Auch der Verantwortliche des Pavillons vor Ort hält wenig von der Inszenierung seines Landes: Das Schweizer Pavillon hat leider unsere schlimmsten Befürchtungen übertroffen, es ist wirklich schade, dass man meines Erachtens nicht einmal das Haupt-Thema […] verstanden hat, und statt dessen einen Salat serviert hat, der vermutlich nebst […] den Herren der Pro Helvetia niemandem gefällt.
An der Ausstellung Hemisfair sorgt nicht nur Pro Helvetias Riesenvogel, sondern auch das Rahmenprogramm der Schweizer Beteiligung für Konfliktstoff. Während die Schweizer Botschaft in Washington den 1. August mit einer traditionellen Folkloredarbietung begehen will, setzt sich die Kulturstiftung vergeblich für einen Sketch des Clowns Dimitri ein.
Die Schweizer Beteiligung an der Ausstellung Hemisfair zeugt von den unterschiedlichen Auffassungen in Bezug auf das Bild, das die Schweiz im Ausland über kulturelle Veranstaltungen vermittelt. An der Weltausstellung in Sevilla kommen 1992 ähnliche Gegensätze zum Ausdruck. Die Konsequenz ist, dass die Gestaltung der Weltausstellungspavillons in die Hände der 1999 gegründeten Bundesagentur Präsenz Schweiz gelegt wird und Pro Helvetia nur noch kulturelle Rahmenprogramme beiträgt. (tk)
Archivbestände
BAR E 2003 (A) 1980/85, Bd. 326