Switzerland calling
In der Mediengeschichte ist das Radio das erste Kommunikationsmittel, das es erlaubt, in Echtzeit ein zahlreiches und geografisch weit verstreutes Publikum zu erreichen. Insbesondere die neuen Übertragungsmöglichkeiten im Bereich der Kurzwelle sichern dem Radio vom Zweiten Weltkrieg bis in die 1990er Jahre einen zentralen Platz in der Informations- und Kulturpolitik im Ausland.
In der Schweiz fällt das Radio in den Kompetenzbereich der 1931 gegründeten Schweizerischen Radiogesellschaft SRG, deren Aufgaben von einem Mandat des Bundes geregelt werden. Das Zeitalter der Kurzwelle beginnt 1932 mit Radio-Nations, dem Sender des Völkerbundes in Genf. Dieser dient zeitweise als Relaisstation für die Übertragung von Programmen für die Schweizerkolonien in Nord- und Südamerika. Im April 1938 bewilligt das Parlament ein Projekt zum Bau eines Kurzwellensenders in Schwarzenburg, der im Sommer 1939 in Betrieb genommen und für die Ausstrahlung von Sendungen in Richtung der beiden amerikanischen Kontinente eingesetzt wird. Sendungen auf Englisch, Spanisch und Portugiesisch ergänzen das in den drei Landessprachen ausgestrahlte Programm.
Während der Nachkriegszeit unterstützt der Kurzwellendienst der SRG die Integration der Schweiz in die neue internationale Ordnung und spielt eine wichtige Rolle in der Verbreitung des Leitgedankens „Neutralität und Solidarität“. Die technischen Möglichkeiten der Kurzwelle werden oft eingesetzt, um auf das humanitäre Engagement der Schweiz und ihren Einsatz für den Frieden hinzuweisen. So stellt der Kurzwellendienst 1956 während des Ungarnaufstandes im Auftrag des IKRK die unterbrochenen Verbindungen mit dem nationalen Roten Kreuz wieder her und beteiligt sich an einer Hilfskampagne. Der Kurzwellendienst wird international als Stimme eines neutralen Landes wahrgenommen und geniesst daher während des Kalten Krieges eine hohe Glaubwürdigkeit. Gleichzeitig steht er im Dienst der Tourismuswerbung und der Interessen der Exportindustrie, insbesondere in Übersee.
1964 erweitert der Kurzwellendienst sein Programm und produziert zum ersten Mal Sendungen für das französischsprachige Afrika und die arabischen Länder. Diese Ausweitung der Schweizer Radiogeografie ist das Resultat der veränderten internationalen Situation, geprägt von der Entkolonialisierung in Afrika und Asien. Das Radio stellt ein wichtiges Mittel dar, um einen Kontakt mit den Eliten der neuen Länder herzustellen. Sendungen über die direkte Demokratie, die Sprachenvielfalt und den Föderalismus machen aus den traditionellen Elementen der Schweizer Identität Exportprodukte für die postkoloniale Welt. Gleichzeitig bereitet der Kurzwellendienst das Terrain für die wirtschaftliche Erschliessung der neuen Räume vor.
Die Ausweitung der Programme ist verbunden mit dem Aufbau eines Transkriptionsdienstes, an dem auch die Stiftung Pro Helvetia beteiligt ist. Die Zusammenarbeit mit lokalen Radiosendern in Nord- und Südamerika erlaubt er, ein grösseres Publikum zu erreichen. Ende der 1960er Jahre finanziert die Kulturstiftung verschiedene für ausländische Hörer bestimmte Folkloresendungen.
1978 setzt der Schweizer Kurzwellendienst seine Informations- und Werbepolitik unter dem Namen Radio Schweiz International fort. Das Ende des Kalten Krieges und die Entwicklung der neuen Kommunikationsmittel beschleunigen allerdings den Niedergang der Kurzwelle. 1999 geht die Ära des Senders von Schwarzenburg zu Ende, und die auf ein internationales Publikum ausgerichtete Internetplattform Swissinfo tritt an die Stelle der Radiowellen. (tk)
Archivbestände
E 2001 (E), Dossiers i.A.15.42.11.1
Literaturhinweise
Drack, Markus T. (Hrsg.): Radio und Fernsehen in der Schweiz: Geschichte der Schweizerischen Rundspruchgesellschaft SRG bis 1958, Baden, Verlag hier + jetzt 2000
Mäusli, Theo; Stegmeier, Andreas (Hrsg.): Radio und Fernsehen in der Schweiz: Geschichte der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG 1958-1983, Baden, Verlag hier + jetzt 2006