Von den "Espaces" bis Hirschhorn

par Thomas Kadelbach

Thomas Kadelbach, né en 1979. Après des études d'histoire et littérature française à Angers, Fribourg et Madrid, il collabore au projet de recherche FNS Les relations culturelles internationales de la Suisse, 1945-1990. Thèse de doctorat sur Pro Helvetia et l'image de la Suisse à l'étranger. Actuellement collaborateur scientifique à l'Université de Neuchâtel.
, Thomas Kadelbach, born in 1979. Studied history and French literature in Angers, Fribourg and Madrid. Research assistant in the SNSF research project Switzerland's International Cultural Relations, 1945-1990. PhD thesis on Pro Helvetia and the image of Switzerland abroad. Currently scientific collaborator at the University of Neuchâtel.

Gegenwartskunst
Kulturzentrum
Espaces
Paris

1975 führt Pro Helvetia zum ersten Mal in der Geschichte ihrer Auslandtätigkeiten eine Veranstaltungsreihe durch, die sich auf mehrere Monate erstreckt und interdisziplinär ausgerichtet ist. In den von der Schweizer Verkehrszentrale zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten in Paris finden Ausstellungen, Theateraufführungen, Filmabende und Konzerte statt. Im Einklang mit den neuen Prioritäten der Kulturstiftung während der 1970er Jahre steht die Veranstaltungsreihe im Zeichen des zeitgenössischen Kunstschaffens und legt Wert auf den Dialog zwischen Schweizer und französischen Künstlern. Nicht nur in Bezug auf seinen Inhalt, sondern auch auf organisatorischer Ebene betritt Pro Helvetia mit dem Programm Neuland. Erstmals führt sie ein Grossprojekt ohne Beteiligung der diplomatischen Vertretungen durch. Diese Wahl zieht strukturelle Gegensätze nach sich, die sich 1975 unter anderem darin äussern, dass sich der Schweizer Botschafter weigert, der Eröffnung des Veranstaltungszyklus beizuwohnen.

Der selbst für Pro Helvetia überraschende Erfolg der in Paris organisierten Veranstaltungen veranlasst die Kulturstiftung, diese neue Art kultureller Präsenz zu institutionalisieren. Die als Plattform für die neuesten Kunstströmungen konzipierten Espaces finden erstmals 1976 statt und bieten einen geeigneten Rahmen für zahlreiche innovative Projekte, unter anderem im Bereich des Films.
In Paris vermitteln die Espaces ein ungewohntes und von den üblichen Klischees befreites Bild der Schweiz. Die Tageszeitung Le Figaro kommentiert 1977: die brave Schweiz habe nicht gezögert, den Ausstellungen, Aufführungen und Debatten mit einer Dosis Verrücktheit, einer Prise Avantgarde und einer Portion ausgefallener Pinselstriche Würze zu verleihen.

Anfangs der 1980er Jahre weitet Pro Helvetia das Veranstaltungsmodell der Espaces auf andere französische Städte und auf Deutschland und Österreich aus, wo es unter dem Namen Szene Schweiz durchgeführt wird. 1985 münden die Espaces in Paris in die Gründung des Centre Culturel Suisse, dem ersten von Pro Helvetia betriebenen Kulturzentrum im Ausland.

Der von den Espaces verkörperte Wandel vom Prinzip der kulturellen Repräsentation zu einem rein künstlerisch motivierten Austausch erweist sich in der Präsenz der Schweiz im Ausland als Konfliktquelle. Das bekannteste Beispiel für diese Entwicklung ist die 2004 im Centre Culturel Suisse von Thomas Hirschhorn organisierte Ausstellung Swiss Swiss Democracy. Die umstrittene Auseinandersetzung des Künstlers mit der direkten Demokratie löst in der Schweiz einen Skandal aus und veranlasst das Parlament, das Budget von Pro Helvetia fürs Folgejahr um eine Million zu kürzen. In Zusammenhang mit der Ausstellung werfen zahlreiche Parlamentarier der Kulturstiftung vor, die Schweiz im Ausland zu verunglimpfen und ihren Namen in den Schmutz zu ziehen. Gleichzeitig beginnt eine grundsätzliche Debatte über die Autonomie der Kulturstiftung und über das Bild der Schweiz, das die kulturelle Präsenz im Ausland vermitteln soll. Der Skandal um die Ausstellung von Thomas Hirschhorn veranschaulicht den seit den 1970er Jahren bestehenden Gegensatz zwischen Imagewerbung und Kulturaustausch. (tk)

Archivbestände
BAR E9510.6 1991/51, Bd. 1022, 1085

Literaturhinweise
Hauser, Claude; Tanner, Jakob; Seger, Bruno (Hrsg): Zwischen Kultur und Politik. Pro Helvetia 1939-2009, NZZ-Libro, Zürich 2010

medias

"Portes de la Suisse", 1975

1975 stellt die Schweizer Verkehrszentrale Pro Helvetia ihre Räumlichkeiten in Paris zur Verfügung. Die Kulturstiftung organisiert darauf unter dem Titel Portes de la Suisse einen Veranstaltungszyklus, der Filmaufführungen, Ausstellungen und Konzerte umfasst. Der Schwerpunkt liegt auf der Gegenwartskunst.

Schweizerische Nationalbibliothek, Plakatsammlung

Die erste Ausgabe der "Espaces"

Die Espaces finden zum ersten Mal 1976 statt.

Schweizerische Nationalbibliothek, Plakatsammlung

"DIN A4", 1977

Die Ausstellung DIN A4 ist Teil der Espaces 1977. Sie umfasst Werke, deren einziger gemeinsamer Nenner das Format A4 ist. Im gleichen Jahr findet eine Art brut-Ausstellung statt, die insbesondere dem Bildern von Alois Wölffli gewidmet ist.

Schweizerische Nationalbibliothek, Plakatsammlung

"Cinéma en marge", 1978

Der Film ist ein zentraler Bestandteil des Veranstaltungszyklus Espaces. 1978 schafft die Veranstaltung Cinéma en marge erstmals den Rahmen für einen Austausch über das zeitgenössische Filmschaffen. In den folgenden Jahren wird sie zu einem eigentlichen Produktionsatelier, das Schweizer und französischen Filmschaffenden zur Verfügung steht.

Schweizerische Nationalbibliothek, Plakatsammlung

"Cinéma en marge", 1979

Plakat der Veranstaltung Cinéma en marge an den Espaces 1979.

Schweizerische Nationalbibliothek, Plakatsammlung

Ausweitung der "Espaces"

Anfangs der 1980er Jahre werden die Espaces für Pro Helvetia zum Modell einer neu ausgerichteten Kulturpräsenz in den Nachbarländern. Zum ersten Mal findet der Veranstaltungszyklus ausserhalb von Paris statt, in Le Havre und Mailand.

Schweizerische Nationalbibliothek, Plakatsammlung

"Szene Schweiz"

1983 weitet Pro Helvetia das Veranstaltungsmodell Espaces unter dem Titel Szene Schweiz auf Deutschland aus.

Schweizerische Nationalbibliothek, Plakatsammlung

Das Centre Culturel Suisse in Paris

Mit dem Ziel, der kulturellen Präsenz der Schweiz in Paris eine feste Grundlage zu verschaffen, beschliesst der Leitende Ausschuss von Pro Helvetia im November 1982 den Erwerb des Hôtel Poussepin. 1985 wird in der Liegenschaft das Centre Culturel Suisse eröffnet. Es ist die erste Aussenstelle von Pro Helvetia.

Archiv Pro Helvetia

"Swiss-Swiss Democracy"

2004 findet im Centre culturel suisse die Ausstellung Swiss-Swiss Democracy von Thomas Hirschhorn statt.

Archiv Pro Helvetia

Französische Schweiz in Tübingen

1985 setzt sich das Programm Szene Schweiz in Deutschland mit einem Veranstaltungszyklus zum kulturellen Leben in der französischen Schweiz fort.

Schweizerische Nationalbibliothek, Plakatsammlung

"Szene Schweiz", 1990

Plakat des Veranstaltungszyklus Szene Schweiz, 1990.

Schweizerische Nationalbibliothek, Plakatsammlung

Max Frisch an den "Espaces"

Die Schweizer Literatur ist an den Espaces ebenfalls vertreten. 1981 sind zahlreiche Veranstaltungen dem Schriftsteller Max Frisch gewidmet.

Schweizerische Nationalbibliothek, Plakatsammlung

neu

Der „zweite Weg“ für die Dritte Welt

1970 bis 2000

Ethnographische Museen nehmen ihrem Wesen gemäss an den Kulturbeziehungen eines Landes teil.

Die Auslandschweizer im Dienst der kulturellen Ausstrahlung

1916 bis 1976

Lange ist die Schweiz ein Auswanderungsland, das seine Bewohner in Zeiten wirtschaftlicher Schwier

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1949 bis 2016

Mit ihrem Beitritt zur UNESCO fügt sich die Schweiz nicht nur in eine Spezialorganisation der UNO

Rousseau Swiss Made

1945 bis 1968

Mit Vorliebe nutzt ihn die Schweizer Kulturdiplomatie, um das Bild der alpinen Idylle, der Schweiz

Ein Einblick in die Schweizer Kultur in Japan

1950 bis 1970

In Japan stehen Buchausstellungen hoch im Kurs, und die Schweizer Verlage nehmen in den 1950er und

Ein junger Historiker durchdenkt die kulturelle Ausstrahlung der Schweiz

1946

Pro Helvetia wird 1939 gegründet, um einen Beitrag an die kulturelle Selbstbehauptung zu leisten.

Architekten zeichnen die Pläne der ersten Kulturbeziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg

1945

Nach dem Krieg ist die Frage der Kulturbeziehungen mit Deutschland ein offizielles Tabu.

Die Anfänge des Schweizer Pavillons an der Cité internationale universitaire

1925 bis 1933

Der Schweizer Pavillon an der Cité internationale universitaire von Paris befindet sich  an der Sc

Pro Helvetia, Männer... und Frauen!

1939 bis 2012

Pro Helvetia besteht vor allem aus einem Stiftungsrat mit 25 Mitgliedern und einem ständigen Sekre

Kultur und Bildung für den Frieden

1946

„Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert