Die Schweizerische UNESCO-Kommission: ein Instrument der Kulturbeziehungen
Mit ihrem Beitritt zur UNESCO fügt sich die Schweiz nicht nur in eine Spezialorganisation der UNO ein, sondern auch in ein Netzwerk internationaler Kontakte. Wie jedes Mitglied wird auch die Schweiz aufgefordert, eine nationale Kommission zu bilden, die eine Verbindung zwischen der Institution mit Sitz in Paris, dem Bundesrat und den auf nationaler Ebene im Bereich der Bildung, Wissenschaft und Kultur aktiven Kreisen schaffen soll.
Die Bildung der Schweizerischen UNESCO-Kommission nimmt mehrere Monate in Anspruch, in deren Verlauf über die Zusammensetzung heftig debattiert wird. Soll sich die Kommission eher aus Vertretern der Bundesverwaltung, der kulturellen Organisationen oder der Politik zusammensetzen? Um alle zufriedenzustellen, werden 64 Personen in die im Mai 1949 geschaffene Kommission aufgenommen. Sie sind für eine erste vierjährige Amtsdauer gewählt. Nur drei Personen vertreten den Bundesrat, acht sind Mitglieder von Pro Helvetia. 2013 zählt die Kommission noch zwanzig Mitglieder, die vom Bundesrat ernannt werden.
Die Kommission hat den Auftrag, die Werte der UNESCO in der Schweiz bekannt zu machen und die Umsetzung ihres Programms zu unterstützen. Die Aufgabe ist bisweilen heikel: Wie kann ein Land angemessen vertreten werden, das selbst einige von der UNESCO geförderte Grundprinzipien nicht respektiert? Bis 1971 verweigert die Schweizer Demokratie den Frauen das Stimm- und Wahlrecht. Die Mitglieder der UNESCO-Kommission, von denen vor 1971 ein Drittel Frauen sind, sind sich bewusst, dass ihre Arbeit in zwei Richtungen gehen muss. Einerseits muss sie der Schweiz in der UNESCO eine Stimme geben und anderseits die Werte der Gleichheit, des Rechts auf Bildung für alle und der kulturellen Toleranz in die Schweiz vermitteln.
Die Kommission organisiert in der Schweiz Seminare für Pädagogen und Fachleute des Kulturbereichs. 1960 findet auf ihre Initiative beispielsweise ein Fortbildungskurs für Lehrpersonen zum Thema „Asien heute“ statt. 1950 lädt sie Jaime Torres Bodet, den Direktor der UNESCO, in die Schweiz ein. Die Kommission veröffentlicht auch zahlreiche Publikationen, um die Arbeit der UNO-Organisation der Bevölkerung nahezubringen, und stellt eine bedeutende Zahl von Berichten aller Art her (über das Bildungswesen der Schweiz, die Konservierung in den Museen oder über den Film und die Jugend).
Die Kommission ist allerdings mehr als nur eine „Produktionsmaschine“ von Berichten. Sie ist auch ein hervorragendes Instrument zur Schaffung von Kontakten zwischen den Völkern. Seit 1949 treffen die Mitglieder der Kommission jedes Jahr ihre Amtskollegen anderer Länder im Rahmen von Seminaren oder wissenschaftlichen Tagungen. Nicht zuletzt besteht eine ihrer Aufgaben darin, anderen Ländern Experten für technische Hilfsmissionen zu liefern, die ein paar Tage bis mehrere Monate dauern können. 1968 melden sich zum Beispiel 48 Personen als Freiwillige, um an einem Einsatz im Rahmen der UNO-Organisation teilzunehmen. Die Zusammenarbeit umfasst auch Spenden von Büchern und Broschüren und finanzielle Unterstützung für Bildungsprojekte oder Projekte zur Erhaltung von Kulturgütern.
Die offizielle Schweiz schliesst keine Kulturabkommen ab. Hingegen kann die UNESCO-Kommission mit ihren Ansprechpartnern semi-offizielle Vereinbarungen treffen. Im Februar 1972 wird eine Übereinkunft mit Kamerun unterzeichnet, und ein Jahr später begeben sich zwei Schweizer Bibliothekare nach Kamerun, um einen zweiwöchigen Kurs über die Organisation und Leitung einer Schulbibliothek zu geben. Jacques Rial, Sekretär der Kommission, veröffentlicht ausserdem eine kleine Abhandlung über die französischsprachige kamerunische Literatur. 1973 erwidert sein Amtskollege Charles Bebbé den Besuch und besichtigt Schweizer Institutionen. (pm)
Archivbestände
BAR, Bestand der Schweizerischen UNESCO-Kommission, E9510.0