Der Dialog in der Übersetzung
Seit dem Ersten Weltkrieg gehören Übersetzungen in den meisten Staaten zu den wichtigsten Mitteln der kulturellen Aussenpolitik. Die Schweiz bildet dabei keine Ausnahme. In seiner Botschaft zur Kulturpolitik vom Dezember 1938 verweist der Bundesrat auf die Notwendigkeit, wichtige Werke Schweizer Autoren in die international geläufigen Sprachen zu übersetzen, und Pro Helvetia greift seit ihrer Gründung immer wieder auf Übersetzungen zurück, um das kulturelle Leben der Schweiz bekannt zu machen. Während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist die Politik der Kulturstiftung im Bereich der Übersetzungen von einem Wandel gekennzeichnet, der ihre Prioritäten als Ganzes spiegelt. Bis zum Ende der 1950er Jahre stehen Bücher über die Geschichte, die politische Struktur und die kulturelle Identität der Schweiz im Vordergrund. Anschliessend werden die Übersetzungsbeiträge hauptsächlich für literarische Projekte verwendet.
Die erste von Pro Helvetia in Auftrag gegebene Übersetzung betrifft die Weltgeschichtlichen Betrachtungen des Basler Geschichtsphilosophen Jacob Burckhardt. 1943 gibt der Verlag Georges Allan & Unwin eine englische Fassung dieses Werks heraus, und ein Jahr später erscheint es auch im Verlag Pantheon Books in New York. Die Übersetzung entsteht vor dem Hintergrund des Krieges und hat zum Ziel, dem ausländischen Publikum das Bild einer eigenständigen Schweizer Geistesgeschichte zu vermitteln. Die Einleitung der amerikanischen Fassung dient der allgemeinen Darstellung des „schweizerischen Standpunkts“ in der europäischen Krise. Insbesondere bezeugt Burckhardts Werk die Unentbehrlichkeit des Kleinstaats für den Fortschritt der Kultur.
Während der Nachkriegszeit stellt Pro Helvetia ihre Politik im Bereich der Übersetzungen in den Dienst der unmittelbaren aussenpolitischen Interessen der Schweiz. Sie lässt zahlreiche Bücher zur Geschichte der Schweiz übersetzen und bestellt beim Basler Historiker Edgar Bonjour ein Buch über die Neutralität, das sich hauptsächlich ans englischsprachige Publikum richtet. Die meisten der übersetzten Werke stützen den traditionellen Schweizer Identitätsdiskurs und rücken Merkmale wie die Gemeindeautonomie und die direkte Demokratie in den Mittelpunkt.
Der Wandel von der politisch motivierten Übersetzung von Sachbüchern zur literarischen Übersetzung erfolgt in der Politik von Pro Helvetia in den 1960er Jahren und steht im Zusammenhang mit der grösseren Bedeutung des zeitgenössischen Kulturschaffens in der kulturellen Präsenz der Schweiz im Ausland. Zahlreiche Initiativen und Projekte der Kulturstiftung dienen der besseren Verbreitung der Schweizer Literatur. Ende der 1970er Jahre unterstützt Pro Helvetia eine Forschungsgruppe an der Universität Tokio, die eine Anthologie Schweizer Literatur herausgibt. Anfangs der 1980er Jahre besteht eine ähnliche Zusammenarbeit mit dem Londoner Verlagshaus John Calder, das eine Swiss Library aufbaut.
Im gleichen Zeitraum spricht Pro Helvetia erstmals Beiträge für Übersetzungen ins Chinesische und legt damit den Grundstein einer Zusammenarbeit, die sich am Anfang des 21. Jahrhundert fortsetzt. (tk)
Archivbestände
Pro Helvetia, Protokolle Gruppe I