Dokumentarfilme
In einem Brief an das Politische Departement verweist der Schweizer Botschafter in Indien 1972 auf ein grundlegendes Problem der Informationspolitik im Gastland. Mit welchem Mittel können fünfhundert Millionen Menschen erreicht werden, die ein Gebiet von 3‘287‘263 Quadratkilometern bevölkern, achtzigmal grösser als die Schweiz? Gemäss der Einschätzung des Diplomaten ruht die einzige Hoffnung für die Sichtbarkeit und die Präsenz der Schweiz in Indien im Film. Dieser erlaubt es, ohne grossen Aufwand ein zahlreiches Publikum anzusprechen. Allerdings verfügt die Schweizer Botschaft in New Delhi zu diesem Zeitpunkt nur über einige wenige Farbfilme in schlechter Qualität und über zwei Schwarzweiss-Filme, die nach dem Zweiten Weltkrieg produziert wurden. Das von der Botschaft über den Film vermittelte Bild der Schweiz beschränkt sich deswegen auf touristische und folkloristische Aspekte, die einem modernen Industrielandes in keiner Weise gerecht werden.
Die Situation in Indien ist charakteristisch für die filmische Präsenz der Schweiz im Ausland während des ganzen 20. Jahrhunderts. Wegen ungenügender finanzieller Mittel und Koordinationsproblemen zwischen den verschiedenen Akteuren entwickelt sich dieser Teil der Informationspolitik nur sehr langsam.
In den 1940er und 1950er Jahren beruht das im Ausland über den Dokumentarfilm verbreitete Bild der Schweiz fast ausschliesslich auf den Produktionen der Schweizer Verkehrszentrale und der Zentrale für Handelsförderung. Das verfügbare Material ist so einseitig ausgerichtet, dass sogar kulturelle Veranstaltungen mit Filmen der Tourismuswerbung untermalt werden. 1950 beispielsweise zeigt der Schweizer Konsul in Saint-Louis, USA, einen Film über die Schweizer Alpenflora als Begleitprogramm zu einer Buchausstellung. Im gleichen Zeitraum verwendet der Schweizer Gesandte in China Filme über den Skisport in den Alpen, um seine Vorträge in chinesischen Schulen attraktiver zu gestalten.
Erst Mitte der 1950er Jahren findet auch die Kultur Eingang in die im Ausland verbreiteten Schweizer Dokumentarfilme. Diese Entwicklung ist hauptsächlich auf die Politik von Pro Helvetia zurückzuführen, die mehrere Informationsfilme über das kulturelle Leben in der Schweiz in Auftrag gibt. Zu den behandelten Themen gehören die Barockkunst, der Maler Ferdinand Hodler und die Schweizer Architektur. 1963 wird die Filmförderung dem Bund übertragen, was die Tätigkeiten der Kulturstiftung in diesem Bereich einschränkt. Trotzdem produziert sie weiterhin Filme über das Schweizer Kulturleben, unter anderem Künstlerporträts in Zusammenarbeit mit der SRG. Gleichzeitig spielt sie eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Schweizer Dokumentarfilmen im Ausland, die sie den Botschaften für deren Informationstätigkeit zur Verfügung stellt.
Seit 2007 beliefert die Stiftung Swiss Films, die den Filmdienst von Pro Helvetia beerbt hat, Schweizer Botschaften und ausländische Filmfestivals mit Filmen jeglichen Typs aus der Schweiz. In der offiziellen Schwizer Informationstätigkeit Dokumentarfilm spielt der Dokumentarfilm auch im 21. Jahrhundert eine zentrale Rolle. Die dem EDA angegliederte Stelle Präsenz Schweiz beispielsweise benützt ihn als Informationsmittel über Schweizer Besonderheiten wie die direkte Demokratie oder die Mehrsprachigkeit. (tk)
Archivbestände
BAR E2003(A) 1980/85, Bd. 385
BAR E2003(A) 1990/3, Bd. 486
Weblinks
www.image-schweiz.ch