Die Schweizer Filmwochen im Ausland

par Thomas Kadelbach

Thomas Kadelbach, né en 1979. Après des études d'histoire et littérature française à Angers, Fribourg et Madrid, il collabore au projet de recherche FNS Les relations culturelles internationales de la Suisse, 1945-1990. Thèse de doctorat sur Pro Helvetia et l'image de la Suisse à l'étranger. Actuellement collaborateur scientifique à l'Université de Neuchâtel.
, Thomas Kadelbach, born in 1979. Studied history and French literature in Angers, Fribourg and Madrid. Research assistant in the SNSF research project Switzerland's International Cultural Relations, 1945-1990. PhD thesis on Pro Helvetia and the image of Switzerland abroad. Currently scientific collaborator at the University of Neuchâtel.

film
Filmwoche
Afrika
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Arabische Länder

Wenige Projekte von Pro Helvetia erreichen während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine so grosse Verbreitung wie die im Ausland veranstalteten Filmwochen, die dem zeitgenössischen Schweizer Filmschaffen gewidmet sind. Die erste Veranstaltung dieser Art führt die Kulturstiftung 1969 in Paris in Zusammenarbeit mit Schweizer Regisseuren durch. In der Folge werden Filmwochen zu einem der wichtigsten Bestandteile der kulturellen Präsenz der Schweiz im Ausland. Bis Ende der 1980er Jahre organisiert Pro Helvetia Filmwochen in mehr als dreihundert Städten auf sechs Kontinenten. Durch die Ausweitung des Kulturaustauschs auf nicht-westliche Kulturkreise erreichen die Schweizer Filme auch Länder wie Mozambique, Angola und Indonesien, bis zu diesem Zeitpunkt weisse Flecken auf der Karte der Schweizer Kulturgeografie.

Die Schweizer Filmwochen haben ihren Ursprung in der Entwicklung des neuen Schweizer Films ab der zweiten Hälfte der 1960er Jahre, der den von traditionellen Bildern geprägten Heimatfilm der 1940er und 1950er Jahre ablöst. Bereits 1964 spricht Henry Brandt in seinen für die Landesausstellung Expo 64 produzierten Kurzfilmen zahlreiche Themen an, die für den neuen Schweizer Film entscheidend sind. Zu ihnen gehören das Malaise in der Hochkonjunktur, die Einwanderung, die Konsumgesellschaft, ökologische Probleme und die internationale Isolation der Schweiz. Die wichtigsten Vertreter des neuen Schweizer Films in der Westschweiz sind Alain Tanner, Henry Brandt, Michel Soutter, Claude Goretta und Yves Yersin, deren Werke im Zeichen einer kritischen Auseinandersetzung mit der Gegenwart stehen.

Der internationale Erfolg des neuen Schweizer Films veranlasst Pro Helvetia, ihm in ihren Auslandaktivitäten eine grössere Bedeutung beizumessen. In der Geschichte der Kulturstiftung ist das Interesse für den Spielfilm ein relativ junges Phänomen. Bis Ende der 1960er Jahre beschränken sich die Filmaktivitäten von Pro Helvetia auf den Export von meist didaktisch angelegten Dokumentarfilmen über das Schweizer Kulturleben.

Im Ausland tragen die Filmwochen zu einer Aktualisierung und Modernisierung des Bildes der Schweiz bei. Während der neue Schweizer Film im Inland noch in den 1970er Jahren wegen seiner subversiven Dimension von zahlreichen Politikern heftig kritisiert wird, ist er ausserhalb der Grenzen der Botschafter eines Landes, das sich mit den gleichen Problemen konfrontiert sieht wie andere Nationen. An Schweizer Filmwochen werden unter anderem die Dokumentarfilme Siamo Italiani von Alexander Seiler und Die Erschiessung des Landesverräters Ernst S. gezeigt, die beide im Widerspruch zur offiziellen Schweizpropaganda stehen.

Angesichts des kritischen Potentials des neuen Schweizer Films ist es nicht verwunderlich, dass die Filmwochen in vielen Fällen von Auslandschweizern und den diplomatischen Vertretungen kritisiert werden. 1972 streicht der Konsul in Montreal kurzerhand jene Filme aus einem von Pro Helvetia zusammengestellten Filmprogramm, die seiner Ansicht nach dem Ruf der Schweiz schaden. (tk)

Archivbestände
BAR E2003(A) 1980/85, Bd. 385

Literaturhinweise
Buache, Freddy: Le cinéma suisse, Lausanne, L‘Age d’Homme 1974
Schaub, Martin: L’usage de la liberté : le nouveau cinéma suisse 1964-1984, L’Age d’Homme, Lausanne 1985

medias

"Siamo Italiani", 1964

1964 dreht Alexander Seiler den Film Siamo Italiani, der den prekären Lebensbedingungen der italienischen Arbeiter in der Schweiz gewidmet ist. Der Film ist der erste einer langen Reihe von Dokumentarfilmen über Fragen der Migration und der Fremdenfeindlichkeit. 1972 zeigt Pro Helvetia Siamo Italiani im Rahmen einer Ausstellung in Montreal und zieht sich damit den Zorn des Schweizer Konsuls auf sich. Dieser streicht den Dokumentarfilm aus dem Programm und wirft der Kulturstiftung vor, das Bild der Schweiz im Ausland zu zerstören.

Plakat von Siamo Italiani, 1964

Schweizerische Nationalbibliothek, Plakatsammlung

"Les arpenteurs", 1972

Der 1972 produzierte Spielfilm Les arpenteurs (dt. Die Landvermesser) ist eines der wichtigsten Werke des Regisseurs Michel Soutter, der zu den Pionieren des neueren Schweizer Films gehört. Les arpenteurs offenbart das Talent der beiden Schauspieler Jean-Luc Bideau und Jacques Denis.

Plakat von Pro Helvetia für eine Schweizer Filmwoche, 1986.

Schweizerische Nationalbibliothek, Plakatsammlung

Daniel Schmid

In den 1980er und 1990er Jahren produziert der Bündner Regisseur Daniel Schmid zahlreiche Filme, die auch international erfolgreich sind. Pro Helvetia zeigt sie im Rahmen zahlreicher Schweizer Filmwochen im Ausland. 1983 organisiert die Kulturstiftung eine Retrospektive des Werks von Daniel Schmid in mehreren japanischen Städten.

Plakat von Pro Helvetia, 1984

Schweizerische Nationalbibliothek, Plakatsammlung

"Les petites fugues", 1979

1979 dreht Yves Yersin seinen Spielfilm Les petites fugues (Kleine Fluchten). Der Film erzählt von den Abenteuern auf zwei Rädern des Knechts Pipe. Während seiner Moped-Ausfahrten entdeckt dieser die Welt rund um den Bauernhof, auf dem er lebt. In den 1980er Jahren ist der Film Teil zahlreicher Schweizer Filmwochen, die Pro Helvetia im Ausland organisiert.

© Film & Vidéo Productions, Lausanne
www.lespetitesfugues.ch

"Les petites fugues", 1979

Yves Yersin während der Dreharbeiten für den Film Les petites fugues (dt. Kleine Fluchten). Der 1942 in Lausanne geborene Regisseur spielt eine wichtige Rolle in der Erneuerung des Schweizer Films in den 1970er Jahren.

www.lespetitesfugues.ch

"Les petites fugues", 1979

Im Film Les petites fugues wird das Matterhorn zum Symbol für Entdeckung und Ausbruch aus der Enge.

www.lespetitesfugues.ch

"Les petites fugues", 1979

Plakat von Pro Helvetia für die Verbreitung des Films im Ausland, 1984

Schweizerische Nationalbibliothek, Plakatsammlung

"New Swiss Cinema"

Plakat einer Schweizer Filmwoche 1983 in Washington.

Schweizerische Nationalbibliothek, Plakatsammlung

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